Das Hochseil der Selbstgewissheit Bernard-Henri Lèvy zu Gast bei der phil.Cologne

Köln · Als "Feldherrn im Designer-Anzug" hat man ihn tituliert, als er Frankreichs Kriegseinsatz in Libyen vehement vorantrieb. Bernard-Henri Lèvy (65) kennt "Die Macht der Philosophie" nicht nur als frommen Wunsch - er übt sie aus. Erstaunlich also, dass der schillernde Denker, Dandy, Millionär, Krisenherd-Globetrotter und Debattenvirtuose den großen WDR-Saal bei der phil.Cologne nicht ganz füllt.

 Bernard-Henri Lévy und Übersetzerin Katja Saur.

Bernard-Henri Lévy und Übersetzerin Katja Saur.

Foto: Thomas Brill

Halber Einsatz kommt für ihn gleichwohl nicht Frage. "Ecoutez!" mahnt er das Publikum vor dem Nachhilfekurs in angewandter Weltpolitik. "Wenn Putin von Föderalismus redet, heißt das, dass er die Ukraine zerstören will", stellt der in Algerien geborene Intellektuelle klar. Und ja, Philosophie spielt dabei mit, da Moskaus Vordenker Alexander Dugin der europäischen Aufklärung die dunkle Lehre von "Blut und Boden des eurasischen Reichs" gegenüberstelle.

Eine gefährliche Lage, wäre da nicht BHL (wie sich Lévy selbst nennt) als letzte Schwelle vor dem Abgrund. Die kommende Europawahl stilisiert der rhetorische Feuerkopf zur Entscheidungsschlacht zwischen Licht und Finsternis hoch. "Am Sonntag wird das Schicksal Europas entschieden", denn "Le Pen und Putin sind dasselbe".

Kein Zweifel, Lévy malt wortreich plastische Geschichtsbilder, denen es oft an Nuancen mangelt. Europas rechtsextreme Parteien? Allesamt gefährliche Putin-Versteher. Hat man Russland durch Demütigung in Opposition zum Westen getrieben? Pas du tout! "Darauf darf man nie eingehen, denn Putin spricht über den Mauerfall wie Hitler über den Versailler Vertrag."

Solche verbalen Leuchtraketen schießt er regelmäßig ab, reaktionsschnell übersetzt von Katja Saur, andächtig belauscht von Gesprächspartner Frank Schirrmacher. Der will sich vielleicht nicht niederbrillieren lassen und weicht in labyrinthische Fragen und eilfertiges Einverständnis aus.

Man schaut BHL fasziniert zu, wie er über das Hochseil der Selbstgewissheit schreitet. Schirrmachers Job wäre es, dieses Seil ein wenig zum Zittern zu bringen. Das glückt fast nie. Also gut, Lévy gibt zu, dass ihn auch der "westliche Messianismus" stört, der sich in George Bushs irrwitziger Idee äußerte, "man könnte die Demokratie über dem Irak vom Himmel werfen". Und er beschreibt Demokratie klug als täglichen Weg zu einem wohl nie erreichbaren Ziel, an dem der Totalitarismus immer schon angekommen zu sein glaubt.

Klar, auch wenn er attackiert, wirkt er mit aufgeknöpften Manschetten und gebändigt wallender Mähne eher cool. Und tappt nicht in die klebrige Eitelkeitsfalle, die Schirrmacher am Ende aufstellt: Warum denn nur bei Lévy das in Europa sonst stark gedimmte Licht der Intellektuellen noch leuchte?

Pardon, das findet er falsch, rühmt in Deutschland Sloterdijk als "einen der inspirierendsten Denker" und sieht nach Martin Walsers Paulskirchenrede "eine würdige, große Ideendebatte, die heute noch aktuell ist". Auch daheim streite er sich mit "wahren Philosophen" der extremen Rechten wie Linken. Schon einer von ihnen hätte dem Abend gutgetan.

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